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Was reizt Unternehmen an der „Customized Agency“?

Foto: © Fotolia/Coloures-pic
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Offenbar werden Unternehmen am Agenturmarkt nicht mehr fündig, zumindest nicht bei den Angeboten von der Stange. Die Fachpresse hat die „Customized Agency“ bereits zum Trend erklärt: Maßgeschneiderte Agenturen, die für ihren Kunden sogar exklusiv arbeiten.

Agenturbosse bemühen sich, den Ball flach zu halten. Auf Großkunden zugeschnittene Konzepte, Teams und Prozesse? Das ist kein Neuland. Vorbilder der Markenkommunikation von McDonald’s über Opel bis Media Markt und insbesondere das Promi-Beispiel von der Mercedes-Agentur Antoni befeuern trotzdem das Gerede um das neue Schlagwort.

Mit ThyssenKrupp geht neuerdings auch ein B2B-Riese diesen Weg, der Brand- und Unternehmenskommunikation unter einem Dach hat. Der Konzern stellt Hand in Hand mit der Werberei Thjnk die integrierte Agentur Bobby & Carl auf die Beine, die nach der Konzern-Ikone Berthold „Bobby“ Beitz und bezeichnenderweise dem ersten Kommunikationschef des Konzerns, Carl Hundhausen, benannt ist. Auftraggeber und Agentur halten jeweils die Hälfte der Anteile an der Neugründung, die binnen drei Jahren auf einen Umsatz von über sechs Millionen Euro kommen soll – mit Kunden jenseits des Miteigentümers ThyssenKrupp. Die neue Agentur soll sich auch im Wettbewerb beweisen.

Dass sich ein Unternehmen an einem Dienstleister beteiligt, zumal so weit abseits des Kerngeschäfts, ist zumindest bemerkenswert. Was reizt Unternehmen – unabhängig von konkreten Beispiel – an dieser Idee?

Mehr Durchgriff! Die eigene Agentur bietet maximale Transparenz und Mitbestimmung: Prozesse, Personal, Budgets und Honorare – der Eigentümer hat die Hand drauf und kann diese Themen individuell auf seine Bedürfnisse abstimmen. Hürden für die IT oder Blockaden von Legal – lassen sich schneller aus dem Weg schaffen, wenn der Dienstleister auch Konzerntochter ist. Zudem ist garantiert, dass sich die Agenturführung persönlich auf den großen Kunden konzentriert.

Mehr Flexibilität! Welche Kompetenzen muss moderne Kommunikation heute auffahren? Die Veränderung der Branche vollzieht sich so schnell, dass eine Antwort schwerfällt. Im Vergleich zum Aufbau hausinterner Teams liefert das Agenturmodell mehr Flexibilität, Köpfe, Kompetenzen, Kreative und Könner einzubinden, wo und wenn sie gebraucht werden, schnell, punktuell und temporär. Zudem: Eine moderne Agenturmarke kombiniert als Arbeitgeber die Sicherheit eines Konzerns im Rücken mit der eigenen Anziehungskraft auf tätowierte Talente aus Berlin, die sich nicht in die Prärie locken lassen.

Mehr Verständnis! Kommunikation wird komplexer und schneller. Die Chefetage formuliert steigende Ansprüche. Die Headcounts steigen dagegen nur selten, oder sie müssen gar gesenkt werden. Köpfe von drinnen nach draußen zu versetzen, scheint ein naheliegender Behelf. Aber Vorsicht: Die externe Gesellschaft darf kein Verschiebebahnhof für die Fußkranken sein. Im Gegenteil: Die Antreiber müssen wechseln und bei dem neuen Dienstleister das blinde Verständnis für die Konzern-Denke etablieren. Ohne Missverständnisse laufen Kampagnen und Kommunikation eben schneller vom Band.

Mehr Freiräume? Spürbar – meine ich – ist eine latente Unzufriedenheit in der Rollenverteilung zwischen Unternehmen und ihren Agenturen. Kommunikationsmanager beklagen bisweilen, wie sehr sich ihr Job auf die Steuerung verlagert – und sie sich von ihrer Kernkompetenz entfremden: Kommunikation. Und dass, wo deutsche Unternehmen traditionell ihre interne Schlagkraft in der Kommunikation achten. Das Kalkül: Das enge Verhältnis zu einer maßgeschneiderten Agentur führt zu mehr Effizienz und gesteht den Inhouse-Leuten wieder mehr Beinfreiheit zu.

Mehr Disruption! Die Silos müssen weg, in der Kommunikation wird heute projektbasiert und themenorientiert gearbeitet. Viele Unternehmen kleben indes an alten Strukturen und Prozessen. Die Hoffnung: Wie ein Kommunikationsstart-up arbeitet die Agentur hier als neutraler Ansprechpartner parallel zur Organisation und bringt den Wandel von außen auf den Weg.

Mehr Budget? Eine Agentur ist kein Gemeinschaftsbüro für Freiberufler. Mit dem Aufbau und Betrieb einer Agentur binden sich Konzerne eine Großbaustelle ans Bein, deren Architekten viel Verständnis von Dienstleistungsgeschäft und -kultur haben müssen. Das dauert, und es kostet. Als Cost-Killer fällt das Modell kurzfristig aus. Allenfalls können Erlöse, die die Agentur absehbar mit Fremdkunden erwirtschaftet, das eigene Budget entlasten.

Zwingende Argumente, um von einem Trend zu sprechen, sind das nicht, zumal die Fallzahl aktuell noch überschaubar ist. Der Druck auf Agenturen, individuelle bis maßgeschneiderte Dienstleistungen anzubieten, steigt dennoch. Das Modell ist ein (sehr spannendes!) Experiment – und bislang ein Extrembeispiel. Eine Option für Big Spender, die die Bandbreite ihrer Kommunikationsausgaben kühl durchrechnen.

Kommunikation muss integriert gedacht werden. Warum sollte das nicht auch für die Budgets gelten?

nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de) – und inspizierte mit dieser Anfang September selbst den Siemens-Newsroom. Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.