by

Warum Video und Audio andere Formate nicht verdrängen

Foto: © Fotolia/Creativa Images

Foto: © Fotolia/Creativa Images
Noch während der 90er war das Internet voll mit langen Fließtexten – eine ziemlich dröge Nutzererfahrung. Heute ist Surfen ohne Videos, Podcasts und Grafiken kaum vorstellbar. Aber bedeutet das auch, dass audiovisueller Content klassische Formate verdrängt?

Video und Audio immer beliebter

Im Jahr 2005 startete YouTube als Plattform für Amateur- und Hobbyfilmer. Inzwischen werden 300 Stunden Videomaterial dort hochgeladen – pro Minute! Und der Content stößt mit rund einer Milliarde Views am Tag auf entsprechend großes Interesse.

Auch Audioformate werden im Internet immer beliebter. So verfolgen laut der ARD/ZDF-Onlinestudie zufolge 46 Prozent der Bevölkerung mindestens einmal wöchentlich Hörstücke im Netz – ein Anstieg von rund 13 Prozent verglichen zum Vorjahr.

Sprachassistenten sind ebenfalls auf dem Vormarsch: Bereits 10 Prozent der US-amerikanischen Haushalte nutzen Siri, Cortana & Co. Und auch die Deutschen werden mit Audio warm: Inzwischen hören 7,5 Millionen hierzulande Podcasts, 2012 waren es nur 2,1 Millionen.

Darüber hinaus ändert sich das Nutzerverhalten bei Bewegtbild: Kunden schauen sich viermal lieber ein Video desselben Produkts an als einen entsprechenden Text zu lesen. Außerdem verliert einer von vier Kunden das Interesse an einer Firma, wenn sie im Netz keine Videos anbietet. Und 59 Prozent der Kunden finden es hilfreich, sich vor dem Kauf ein Produktvideo anzusehen.

Die weiter oben zitierte Studie von ARD und ZDF ergab außerdem, dass 57 Prozent der Befragten 2017 zumindest selten Videoportale nutzen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Video und Audio erleben einen mächtigen Zuwachs, sowohl im Marketing als auch im privaten Umfeld. Hinzu kommen neue Trends wie Virtual und Augmented Reality, die Textbeiträgen Konkurrenz machen.

Noch aber schauen die meisten Nutzer auf Bildschirme – sei es am PC, auf dem Smartphone oder dem Tablet. Virtual-Reality-Brillen sind bislang eher eine Randerscheinung und kein Massenphänomen. Laut Statista-Umfrage besitzen nur sechs Prozent der Deutschen ein solches Gadget. Die Nutzer benötigen also nach wie vor Bilder und Texte, um sich online zurechtzufinden.

Texte und Bilder erfüllen wesentliche Funktionen

Für Bildschirme braucht es traditionelle Navigationselemente: Menüpunkte, Schlagworte, Fotos und Grafiken, einfach nur ein paar Videos oder Podcasts allein auf weiter Flur sind für den User weder verständlich noch hilfreich.

Daher wäre es ein Trugschluss, den Erfolg einzelner spezifischer Plattformen wie YouTube und Soundcloud als Beweis für eine Verdrängung bisher beliebter Formate im Internet zu sehen.

Denn selbst bei den erwähnten Video- und Audioportalen sind Texte, wenn auch knappe, notwendig: Von der Kurzbeschreibung über aussagekräftige Titel bis hin zu Kommentaren ist Text überall rund um Video und Audio sinnvoll. Das gilt weiterhin für Bilder: Thumbnails – Grafiken und Fotos sind unverzichtbar, um einen Vorgeschmack auf den Inhalt eines Videoclips zu geben. Das hilft dem Nutzer, eine Entscheidung zu treffen: Will ich den Podcast bzw. das Video jetzt anklicken oder nicht?

Texte in Artikelform ordnen komplexe Sachverhalte ein. Sie ermöglichen eine kohärente, umfangreiche Argumentation, insbesondere bei anspruchsvollen Themen. Der Leser gelangt so zu Erkenntnissen, die innerhalb der Grenzen des Bewegtbildes nicht oder nur schwer vermittelbar wären. Außerdem sind sie günstiger. Bei professionellen Videoproduktionen fallen Kosten für Pre- und Postproduction, sowie für Drehtage, Darsteller usw. an. Nicht jedes Unternehmen kann oder möchte dafür ein umfangreiches Budget zur Verfügung stellen.

Ergänzung statt Verdrängung

Neue Video- und Audioformate ergänzen das Content-Angebot, ohne das nach wie vor relevante Gespann Texte und Grafiken zu ersetzen. Der Medienmix aus Texten, Bildern, Videos und Audioangeboten sorgt für Abwechslung im Netz. Daher bringen auch Diskussionen nichts, die darum kreisen, welches Content-Format wirksamer ist. Die Mischung macht‘s. Nur Text im Übermaß zu nutzen langweilt die User. Doch wie lassen sich die einzelnen Formate in das richtige Verhältnis bringen?

Der Medienmix muss auf die Nutzer abgestimmt sein

Entscheidend bei der Zusammenstellung des passenden Medienmixes für Blogs und andere Online-Kommunikationskanäle ist eine genaue Kenntnis der Zielgruppe. Kurzum: Die Content-Produktion muss sich an den Usern ausrichten und nicht danach, was dem Chef gefällt. So waren 2017 die beliebtesten Videoformate Erklärfilme, Produktdemos, How-tos und Testimonials.

Daraus lässt sich erkennen, worauf Kunden Wert legen: Verständlichkeit, ansprechende Präsentationen von Produkten und authentische Meinungen. All das gilt es bei der Zusammenstellung des Medienmixes zu berücksichtigen. Andernfalls schrammen Inhalte einfach an den Nutzern vorbei.

Mit verschiedenen Content-Formaten die Zielgruppe erreichen

Damit der Content-Mix gelingt, empfiehlt sich ein crossmedialer Redaktionsplan. Facebook zum Beispiel bietet die Möglichkeit, Infografiken, Videos, Bilder und Links übersichtlich zu planen. Durch die Content-Abwechslung im beliebten sozialen Netzwerk lässt sich die Sichtbarkeit der Postings signifikant steigern.

Weiterhin ist die Gewichtung einzelner Content-Formate abhängig vom Zweck. So stellt die Textproduktion für eine Landingpage eine völlig andere Herausforderung dar als Blogposts, die das Unternehmen bei der Zielgruppe bekannter machen sollen.

Die Implementierung von Audio hingegen wird häufig als Zusatzangebot zu Artikeln genutzt. So bietet der Dienst narando an, Artikel von Seiten wie Gründerszene, Der Postillon etc. vorlesen zu lassen. Damit werden Interessenten erreicht, die zwar die Informationen aus den jeweiligen Magazinen und Blogs bekommen möchten, aber keine Zeit oder Gelegenheit im Alltag haben, die Artikel zu lesen.

Hier zeigt sich, worauf es bei der Frage nach Text, Bild, Video und/oder Audio tatsächlich ankommt: auf den Nutzer. Der ideale Medienmix stützt sich auf eine Zielgruppenanalyse, bestenfalls auf Basis von Interviews anstatt nur auf theoretischen Persona-Überlegungen, um die Online-Nutzungsgewohnheiten der eigenen User im Detail zu verstehen.

Fazit

Audio- und Videoangebote werden Artikel, Social-Media-Teaser, Illustrationen, Fotos, Infografiken usw. nicht verdrängen. Sie sind ein wichtiger Teil der digitalen Transformation, die immer neue Varianten der Content-Produktion ermöglicht. Aber jedes Format erfüllt im Medienmix eine andere Funktion. Texter und Grafiker sollten die Evolution von Video und Audio demnach nicht als Bedrohung, sondern als Chance begreifen, gemeinsam mit anderen Kreativen Content zu produzieren und so die Zielgruppe auf crossmedialem Wege zu erreichen.


carsten-christian-01_150x150pxÜber den Autor: Carsten Christian ist Online- und Social-Media-Redakteur bei der Kölner Agentur Oliver Schrott Kommunikation, wo er für den OSK-Blog zuständig ist. OSK ist Deutschlands zweitgrößte inhabergeführten PR-Agentur und betreut renommierte Automobil-, Technologie- und Industrie-Unternehmen.