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Spiegel Daily – eine Zwischenbilanz

Screenshot SPIEGEL DAILY (Pressematerial)
Screenshot SPIEGEL DAILY (Pressematerial)
Screenshot SPIEGEL DAILY (Pressematerial)

Am 16. Mai 2017 haben DER SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE die digitale Tageszeitung SPIEGEL DAILY gestartet. Zwei Wochen voller Meinungen zu ihrem Digitalprojekt liegen hinter den Machern. Hier gibt’s eine Zusammenfassung.

„Entschleunigung, Einordnung und Orientierung“ – so lautet das Produktversprechen der tagesaktuellen Digitalausgabe, die immer um 17 Uhr die wichtigsten News des Tages erklären, pointierte Kommentare liefern, die Debatten in den sozialen Netzwerken zusammenfassen und Tipps für den Feierabend geben will. Timo Lokoschat und Oliver Trenkamp haben die redaktionelle Leitung inne. Die LeserInnen können zwischen zwei Bezahlmodellen wählen: „einem Monatspass und einem Wochenpass. Der Monatspass startet mit einem kostenlosen Probemonat. Anschließend werden 6,99 Euro pro Monat berechnet. Der Wochenpass kostet 2,49 Euro und endet automatisch nach einer Woche. Abonnenten des digitalen SPIEGEL erhalten DAILY kostenlos, Print-Abonnenten bekommen für 0,50 Euro über ein Digital-Upgrade Zugriff auf die digitale Abendzeitung.“ Soweit die Fakten.

Und während es zum Launch von den Mediendiensten wohlwollende Kommentare gab, wie MEEDIA berichtet, hagelte es natürlich auch Kritik an der kostenpflichtigen Web-App.  Thomas Knüwer beispielsweise bezeichnet SPIEGEL DAILY als „journalistisch prekariär“ und sieht das Produkt als „Kapitulation eines einst großen Medienhauses“. Und Journalismus-Dozent und Unternehmensberater Christian Jakubetz sieht in der Erstausgabe „ein Sammelsurium aus Nachrichten, SPON-Versatzstücken und Dingen, von denen man beim Spiegel vermutlich glaubt, dass sie das Publikum im Netz cool findet“.

Auch die Zeitungsmacher Paul-Josef Raue und Michael Bröcker geben SPIEGEL DAILY kaum eine Chance. „Ich gebe ‚Daily‘ nicht lange – sie kommen zu spät und haben wenig Neues darin“, so Paul-Josef Raue, einstiger Chefredakteur von Braunschweiger Zeitung und Thüringer Allgemeinen. „Eine Abendzeitung? Da gibt es viele Ideen von anderen Verlagen, die das ‚Best-of‘ des Tages noch mal anbieten, die [aber] alle nicht wirklich überzeugend funktionieren“, resümiert der Chefredakteur der Rheinischen Post Michael Bröcker. Julian Reichelt hält SPIEGEL DAILY zwar inhaltlich in weiten Teilen gelungen, findet aber auch, dass „ein fester Erscheinungszeitpunkt für ein digitales Produkt ein sehr gewagtes Projekt ist“.

Auch Jens Twiehaus gibt eine Blattkritik ab und findet, die inhaltliche Mischung passt. Das Versprechen, das „Beste aus den sozialen Medien“ aufzuspüren, hält er hingegen für „anmaßend“, die Navigation auf dem Smartphone identifiziert er ebenfalls als Schwäche. Fünf Knackpunkte bei SPIEGEL DAILY– vom Pricing bis zu Web-App-Problematik – gibt’s zusammengefasst von Stefan Winterbauer.

Und was sagen die Macher selbst? Nach einer Woche SPIEGEL DAILY zieht Timo Lokoschat im Interview eine positive Bilanz: „Daily hat eine sehr hohe Aufmerksamkeit erzielt und uns erreichen viele begeisterte Leser-Reaktionen. Konstruktive Kritik nehmen wir gerne an – das Schöne am Tageszeitungsmachen ist ja, dass man jeden Tag versuchen kann, es ein bisschen besser zu machen.“ Was die Leserzahlen angeht, liege man „im Plan“, wolle aber noch „keine konkreten Zahlen nennen“.

Ach, und dann ist da natürlich noch die Personalpolitik … Der Journalistinnenverband Pro Quote hat die ersten beiden Wochen SPIEGEL DAILY unter die Lupe genommen und festgestellt: „[D]ie Beiträge im Daily-Ressort ‚Meinung‘ [sind] fast ausschließlich von Männern gemacht, und wenn Frauen Beiträge liefern, dann oft zu Themen wie Liebe oder Frauenpolitik“. Von 37 Textbeiträgen seien nur sieben von Frauen geschrieben. 16-mal kämen Männer in Videos zu Wort, nur einmal eine Frau. Stillstand quasi – nur anders, als in der Pressemitteilung zum Projekt angekündigt. Auf Nachfrage von MEEDIA heißt es hierzu vom SPIEGEL Verlag: „Die Kritik von Pro Quote nehmen wir uns zu Herzen. Hier werden wir Anpassungen vornehmen.“

Nach dieser ersten Zwischenbilanz bleibt abzuwarten, was das Team von SPIEGEL DAILY wirklich aus der Kritik macht. Wir halten Sie auf dem Laufenden …


Nicole-Storch_2015_150x150pxÜber die Autorin: Nicole Storch ist freiberufliche Autorin für Print und Online. Zuvor betreute sie als Redakteurin beim Egmont Ehapa Verlag zahlreiche Kinder- und Jugendzeitschriften. Während ihres Studiums der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin arbeitete sie bereits als freie Texterin für verschiedene Agenturen.