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Mobile Update: Samsung und das „Bloggergate“.

Blogger sind eine Spezies für sich. Und das ist gut so. Der Elektronikkonzern Samsung musste jüngst erleben, wie schnell sich ein Blogger die modernen Mechanismen des Netzes zunutze machte und damit ausgerechnet dem Konkurrenten Nokia eine Steilvorlage lieferte. Florian Treiß, Chefredakteur von mobilbranche.de fasst das „Bloggergate“ noch mal zusammen.

Samsung hat einen Blogger aus Indien zur Internationalen Funkausstellung (IFA) nach Berlin eingeladen –und ihm nach einem Streit auf einen früheren Rückflug umgebucht. Während der Blogger behauptet, ihm sei eine unabhängige Berichterstattung von der IFA garantiert worden, wollte Samsung ihn in PR-Aktivitäten einbinden. Eine Geschichte voller Missverständnisse –mit einem lachenden Dritten: Der Samsung-Rivale Nokia stellte dem Blogger ein Hotelzimmer sowie ein neues Rückflugticket zur Verfügung. Ein Rückblick auf das Bloggergate.

Eine Reise um den Globus

Der Reihe nach: Samsung lädt –wie auch viele andere Unternehmen– gelegentlich Blogger, Journalisten und andere Multiplikatoren zu Veranstaltungen ein. Mal geht es um eigene Produktpräsentationen, mal um große Messen wie die IFA. Die Unternehmen bzw. ihre PR-Agenturen übernehmen dabei meist die Kosten für Anreise und Übernachtung.

Was nun am Rande der IFA passierte, führte für Samsung zu einem Shitstorm: Weltweit berichteten Medien über den indischen Blogger Clinton Jeff von Unleash The Phones, der darauf beharrte, er sei von Samsung zur IFA eingeladen worden, ohne dass der Konzern Gegenleistungen von ihm erwartet habe. Nachdem er sich geweigert habe, vor Ort PR-Aktivitäten für Samsung durchzuführen, sei sein ursprünglich für den 5. September geplanter Rückflug storniert und auf eine Maschine am 1. September umgebucht worden -– dem ersten Messetag. Weil Clinton Jeff aber während der ganzen Messe in Berlin bleiben wollte, ging er mit seiner Geschichte zum Samsung-Rivalen Nokia und der übernahm für ihn prompt die Kosten für Hotel und einen späteren Rückflug.

Eine Reihe von Missverständnissen

Was zunächst wie eine spektakuläre PR-Panne für Samsung klingt,– entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine Reihe von Missverständnissen. Die schließlich dazu führte, dass es der Blogger mit dem Gang an die Öffentlichkeit dem koreanischen Elektronikkonzern heimzahlte. Denn wie Lars Siebenhaar vom unabhängigen Samsung-Blog allaboutsamsung.de in einem erhellenden Beitrag schreibt, hat Samsung in der Tat über das sogenannte „Samsung Mob!lers“-Programm hundert Menschen aus nahezu allen Weltregionen zu einem „Samsung Mob!lers Day“ am Rande der IFA nach Berlin eingeladen.

Schon hier zeigt sich aber das große Missverständnis zwischen Samsung und dem indischen Blogger Clinton Jeff: Dieses Programm richtet sich gar nicht direkt an Blogger, sondern ist vielmehr „eine auf Freiwilligkeit beruhende Gemeinschaft von aktiven Samsung-Usern, denen wir die Möglichkeit bieten, an unseren Marketing-Veranstaltungen in aller Welt teilzunehmen“, wie Samsung in einem Statement zu dem Vorfall schreibt. „Jeder Samsung-Kunde kann sich um die Teilnahme an diesem Programm bewerben.“ Und dann schreibt Samsung noch einmal ganz deutlich: „Professionelle Blogger gehören nicht zur Zielgruppe von Samsung Mob!lers.“

Unabhängige Blogger haben es schwer

Das sieht auch Lars Siebenhaar so: Es sei ein Fehler zu glauben, dass Blogger bei den „Samsung Mob!lers“ hinein passten. Denn die „Mob!lers“ würden letztlich für Samsung Produkte promoten und gelegentlich auch testen. „Als unabhängiger Blogger wird es dann schwer“, so Siebenhaar. Er selbst habe überlegt, über das „Mob!lers“-Programm zur IFA zu reisen, habe aber die Reißleine gezogen.

Samsung und die beteiligte PR-Agentur haben sich im Fall Clinton Jeff dennoch ungeschickt angestellt: Bei der Reise nach Berlin gab es nämlich eine Unterteilung in „Promoter“ und „Reporter“. Der indische Blogger entschied sich für die letztgenannte Variante. Er wurde jedoch „irrtümlicherweise als Promoter eingestuft“, wie Samsung einräumt, und seine Rückreise deshalb für den 5. September gebucht.

Dadurch kam es zu weiteren Missverständnissen: Alle „Reporter“ sollten bereits am 1. September zurückfliegen, während die „Promoter“ bis zum Ende der Messe bleiben –und entsprechend ihrer Bezeichnung in Samsung-Uniform an PR-Aktivitäten teilnehmen sollten. Als Clinton Jeff sich nun bei Samsung darüber beschwerte, er wolle nicht an PR-Aktivitäten teilnehmen, sollte er bereits am 1. September wie alle anderen „Reporter“ zurückfliegen. Dadurch eskalierte die Situation. Clinton Jeff bandelte mit Nokia an und suchte das Rampenlicht, um seinen Fall an die große Glocke zu hängen.

Samsung steht dumm da

Blogger-Urgestein Robert Basic meint dazu treffend: „Samsung steht dumm da. Und was lernen wir Blogger daraus? Lerne zu lesen, lerne Kulturen zu verstehen, lerne zwischen den Zeilen zu lesen. Nicht jede Einladung ist anzunehmen, nur weil sie toll erscheint.“

Samsung hat sich mittlerweile bei dem Blogger für die heftige Reaktion entschuldigt und betont, dass der Blogger niemals in Deutschland zurückgelassen worden wäre, da für ihn ein Hin- und Rückflugticket vorlag. Zudem meint der Konzern in seinem Statement: „Ganz gleich, ob Blogger, Reporter oder Samsung Mob!ler –- Samsung liegt sehr viel daran, dass alle Akteure in der digitalen Welt ihre Artikel und Stories unabhängig und frei veröffentlichen können.“

Dennoch zeigt der Vorfall, dass Event-Einladungen für PR-Verantwortliche mit Risiken behaftet sind: Einerseits sollten sie im Vorfeld klar kommunizieren, was sie von den Teilnehmern erwarten und wie solche Einladungen nach außen hin transparent gemacht werden. Andererseits sollten während einer solchen Reise nicht plötzlich die Spielregeln geändert werden: Den Rückreisetermin wegen eines eigenen Fehlers plötzlich vier Tage vorzuziehen, kommt sicher bei keinem Betroffenen gut an. Die Reaktion von Clinton Jeff ist also völlig verständlich, zumal die Verantwortlichen ihm angeblich auch verboten haben, darüber zu bloggen. Maulkörbe bringen eben nichts.

Über den Autor: Florian Treiß (31) ist Gründer von mobilbranche.de und informiert in einem kostenlosen Newsletter mobile Entscheider über News und Trends in Mobile Marketing und Mobile Business. Er war bis März 2012 stellvertretender Chefredakteur beim Medienfachdienst turi2.de und hält Vorträge zu Themen wie “Social, Local, Mobile” und dem digitalen Wandel von Medien.