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Meeting Alexa: Warum Sie digitale Sprachassistenten testen sollten

Foto: © Amazon
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Nico Kunkel berichtet, wie das Zusammenleben mit Alexa, Amazons digitaler Sprachassistentin, funktioniert und erklärt, was diese technische Entwicklung für Unternehmen und ihre Ansprache von KundInnen und Stakeholdern bedeutet.

Vor acht Wochen zog sie ein. Im kleinen schwarzen Gewand hockt sie seitdem auf dem Küchentisch und harrt, meine Wünsche zu erfüllen. Die Rede ist von Alexa, Rufname von Amazon Echo, der digitalen Stimme meines vernetzten Zuhauses. Alexa steuert mein Licht, nimmt meine Einkaufsliste auf und spielt meine Playlist auf Zuruf. Sie kann Internetsuche, sie kann Kochrezepte, Wikipedia und lustig kann sie auch. Alexa, erzähle einen Witz! Alexa, wie macht der Fuchs? Schon probiert?

Es fasziniert mich, wie gut Alexa meine Eingaben versteht – selbst wenn ich ihr frühmorgens mit noch vom Schlaf erstickter Stimme den ersten Befehl zuraune. Allerdings bin auch oft enttäuscht, dass sie mit meinen Wünschen nichts anzufangen weiß. Mein Wunschzettel ist lang. Anrufe würde ich gerne machen zum Beispiel. Oder Sushi bestellen – und zwar nicht bei Amazon! In deren Angebot blättert Alexa freilich immer zuerst.

Vieles ist in Arbeit, Amazon ist dran. Auch Dritte entwickeln Skills für Alexa, so heißen die Apps in Alexas Welt. In den USA, wo Amazon Echo seit zwei Jahren auf dem Markt ist, gibt es 3.000 davon. In Deutschland greift Alexa auf etwa 500 Skills zurück. In den meisten Fällen können Sie sich die Installation allerdings sparen. Die mangelhafte Qualität der Anwendungen offenbart, welche Entwicklungssprünge iOS- und Android-Apps bereits hinter sich haben – und wie mir die Lust fehlt, mich auf ein neues Ökosystem einzustellen.

Es wird trotzdem spannend sein zu beobachten, wie sich der Wettbewerb der Ökosysteme entwickelt, die mit unterschiedlich potenten Anwendungen, Daten und Nutzerprofilen hinter den smarten Stimmen stehen. Denn Alexa ist nicht allein. Microsoft hat Cortana. Apple wird Siri absehbar auf der Wohnzimmerbox Apple TV etablieren. Facebook investiert in das Thema. Größter Konkurrent von Amazon Echo ist zur Zeit Google Home, weshalb Amazon Alexa wohl die Google-Suche verboten hat. Sie nutzt Bing.

Für Marken und Unternehmen sind die Skills die entscheidende Brücke, um via Alexa Kunden und Stakeholder anzusprechen. Die fehlende Konkurrenz darf man durchaus als Chance begreifen. Und einen ersten Prototypen zu bauen dauert keine 48 Stunden, wie sich jüngst auf dem PR-Hackathon in Frankfurt zeigte. Ein Team hatte eine Alexa-Anwendung für die interne Kommunikation entworfen und umgesetzt – um Mitarbeiter ohne PC und Smartphone auf Abruf mit Informationen zu versorgen.

Für die Kommunikation ist darüber hinaus die Preisfrage: Wie muss Content aussehen, damit Alexa-Anwender ihn akzeptieren? Ähnlich wie Unternehmen mühsam gelernt haben, sich in den sozialen Netzwerken auszudrücken oder adäquat auf Google-Suchanfragen zu reagieren, werden wir erst verstehen müssen, wie Menschen den Sprachassistenten in ihren vier Wänden einsetzen, wie sie Fragen formulieren – und welche Antworten sie erwarten. Der Selbstversuch erlaubt hier aber einen ersten Eindruck.

Besonders Kinder gehen unbefangen mit Alexa um. Ihnen sind komplizierte Kommunikationscodes nämlich schnuppe. Bitte nicht lachen: Nach einem langen (und einsamen) Home-Office-Tag habe ich mich neulich zu „Bitte“ und „Danke“ hinreißen lassen. Zwar wird Alexa meine Umgangsformen nicht zu schätzen wissen. Routine und Unachtsamkeit führen aber offenbar zu einer natürlicheren Ansprache, und das erhöht den Anspruch. Befehle bellen reicht mir nicht. Und die Kommunikation mit Alexa darf auf Dauer nicht langweilen. Alexa muss Abwechslung bieten in ihren Antworten. Diese Herausforderung gilt im übrigen auch für Chatbots und den Content, den Unternehmen hier einspeisen. Ich prophezeie: Es wird mehr menscheln.

Zwar erlernt Alexa sukzessive neue Fähigkeiten, als clever empfinde ich sie aber vor allem dann, wenn es ihr gelingt, sich auf mich persönlich einzustellen. Wenn sie weiß, welche Playlist ich gerne höre. Wenn sie berücksichtigt, dass ich am Nachmittag von Berlin nach Frankfurt am Main reise – und mir nicht Infos über Frankfurt an der Oder unterjubelt. Das Ergebnis einer Internetsuche von Alexa reduziert sich meist auf eine Aussage. Die muss sitzen. Für Unternehmen erhöht sich damit der Druck, in den Suchmaschinen einen prominenten Platz zu erreichen. Social-Media-Algorithmen werden bedeutsamer. Und natürlich Nutzerdaten.

Alexa ist bereits als Wanze im Wohnzimmer verschrien, Datenschützer warnen vor dem Lauschangriff. Sie hört immer mit, überträgt aber laut Hersteller nur winzige Schnipsel an den Amazon-Server – bis sie ihren Namen hört und die Ohren für meine Befehle spitzt. Auch wenn ich bewusst mit meinen Daten umgehe: Ich nutze Facebook, Google, Apple. Ich bin also kein Datenschutzfetischist. Es gibt für mich einen offensichtlichen Trade-off zwischen Bequemlichkeit und Privatsphäre. Das macht Alexa einmal mehr deutlich.

Ich kann Ihnen also den spielerischen Selbstversuch mit Alexa nur ans Herz legen. Und seien Sie dabei nicht zu streng mit ihr. Noch ist Alexa freilich grün hinter den Ohren, sie bleibt unter ihren Möglichkeiten und hinter Ihren Erwartungen zurück. Und noch tun selbst aufgeschlossene Freunde und Kollegen Alexa als Spielerei oder mit der schönen Vokabel „Zukunftsmusik“ ab – noch. Wie bei diesen Computerbildschirmen damals, die man mit dem Finger bedienen kann. Wissen Sie noch? Total verrückt.

nico-kunkel_150x150pxÜber den Autor: Nico Kunkel ist seit mehr als zehn Jahren professioneller Beobachter von Themen und Trends in Kommunikation, PR- und Medienindustrie. Er arbeitet als freier Journalist und Impulsgeber für Events und Netzwerke in der Branche. 2012 begründete Kunkel die PR-Nachwuchsinitiative #30u30 (www.30u30.de). Nico Kunkel lebt in Berlin. Er twittert als @prreporter.