by

Heul doch!

Weinend steht der Internet-Chefredakteur vor seinem Therapeuten: „Menno, die blöden Nutzer wollen meine Werbung nicht ansehen und auch nicht anklicken. Das ist gemein! Dann gibt mir der Onkel von der Industrie keine Bonbons mehr.“ Nach ausgiebigem Naseputzen, Kopfstreicheln und einem heißen Kakao denken beide über eine Lösung nach. „Du musst mit den Lesern reden, damit sie dich verstehen“, sagt der Therapeut mit warmer, weicher Stimme. „Sag ihnen einfach, dass Du Bonbons möchtest und sie deswegen die Werbung angucken sollen.“ Da trällert der Chefredakteur: „Au ja, so machen wir das!“ Und fährt vergnügt in die Redaktion.

Der erste Textentwurf ist schnell verfasst:

„Hallo Nutzer dieser Seite. Du bist ein Spielverderber, weil Du eine Software nutzt, die nur die Inhalte dieser Seite anzeigt und die ganze bunte Werbung abblockt. Das ist gemein und gehört verboten. Mach sofort die Software aus und klicke auf die Anzeigen, sonst schreibe ich nicht mehr.“

Nach ausgiebiger Diskussion in der Redaktion wird der Text noch etwas umgestellt:

„Liebe Leserin, lieber Leser,
Ich freue mich, dass Sie Süddeutsche.de lesen. Leider benutzen Sie einen Adblocker, der uns Probleme macht – wir finanzieren unseren Journalismus im Internet vor allem durch Anzeigenerlöse und sind essentiell darauf angewiesen. Ich bitte Sie daher, Ihren Adblocker zumindest für unsere Seite zu deaktivieren.“

(Quelle: sueddeutsche.de >>)

Leider hatten Therapeut und Chefredakteur die Rechnung ohne den Leser gemacht. Kurz nachdem der Aufruf der Redaktion veröffentlicht wurde, stieg der Absatz von Adblockern noch mal kräftig an. Viele wussten ja noch nicht, dass man aktuelle Nachrichten auch ohne nervige Werbung genießen kann. Kein „Geiz ist geil“ ballert einem vor die Nase, während man über die Entwicklung in Syrien liest. Kein „für nur 99,00 Euro nach Paris“ stört einen bei der Lektüre des Artikels über die Klimaerwärmung.

Die Wahrheit ist grausam und sicherlich für den Chefredakteur nur schwer zu verdauen: Der Leser will keine Werbung. Nicht an der Seite, nicht über den Artikel geblendet, nicht im Text. Einfach gar nicht. Der Leser möchte Information und Unterhaltung, deswegen kommt er ja auf die Webseite. Es ist dem Leser auch egal, warum die Nachrichten im Internet verschenkt werden und das dafür den Werbetreibenden Klicks versprochen wurden. Das sieht er einfach nicht als sein Problem an. Einem geschenkten Gaul schaut man halt nicht auf die Werbung.

P.S.: Ich habe jetzt auch einen Adblocker, ist prima!

Über den Autor: Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen.