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Gibt es ein Recht auf anonyme Kommunikation?

Foto: © Fotolia/lassedesignen
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Vor einigen Jahren hatte ich auf einer Veranstaltung des Frankfurter Zukunftsrates mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Rudolf Scharping über die neuen Medien diskutiert. Damals stand ich felsenfest auf dem Standpunkt, dass man unbedingt und überall ein Recht auf anonyme Kommunikation bräuchte.

Ich habe mich geirrt. Zeitungen schließen ihre Kommentarspalten, Foren brauchen Aufseher und auch in meinem Unternehmen führt anonyme Kommunikation nicht zu mehr Offenheit, sondern zum Polemisieren, Provozieren und Eskalieren. Der Traum, dass die Anonymität, diejenigen an der Diskussion teilnehmen lässt, die sich aufgrund menschlicher Scheu nicht trauen, aber eine wertvolle Meinung beitragen könnten, ist bei mir ausgeträumt.

Es scheint, als würde Anonymität vor allem die motivieren, die besonders viel Frust und Hass in sich angesammelt haben und diesen, völlig frei vom Ansatz das Problem zu lösen, der Welt mitteilen wollen. Ansätze von konstruktiver Lösungsfindung werden mit pauschalen Beschuldigungen, Verschwörungstheorien oder einfach nur dumpfen Beleidigungen zugeschüttet, bis man bei der Lektüre den Eindruck gewinnen könnte, die Welt habe komplett den Verstand verloren.

Auf der anderen Seite stehen die, die Hilfe brauchen. Menschen, die im Leben nicht mehr weiter wissen und über das Internet Kontakt mit Helfern aufnehmen. Eine Freundin von mir arbeitet bei „jugendnotmail“, einer anonymen, kostenlosen Online-Beratung für Jugendliche. Hier ist Anonymität der entscheidende Faktor, der Jugendlichen hilft sich professionelle Beratung zu holen.

Auch „Whistleblower“, Mitwisser also, die ihr Gewissen erleichtern wollen, würden ohne Anonymität nicht bei der Aufklärung von Verbrechen helfen. Ein weiterer Punkt für die Verfechter der Anonymität: Anonyme Quellen spielen auch im digitalen Journalismus eine wichtige Rolle. Anonymität ist somit nicht immer der Feind demokratischer Prozesse.

Ich muss es also zugeben: Rudolf Scharping hatte schon damals recht, als er mir sagte, dass eine vernünftige Diskussion das offene Visier braucht. Den Mensch hinter der Meinung, der begründen und erklären muss. Nur so geht Diskussion. Wer allerdings Hilfe braucht oder anderen durch Informationen helfen will, sollte auf den Schutz der Anonymität zurückgreifen können.


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Über den Autor: andrea katheder für landau media, berlin 2013Uwe Mommert ist Vorstand für Vertrieb und Produktion der Landau Media AG. Darüber hinaus ist er begeisterter Web 2.0-Fan und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen. Sie erreichen Uwe Mommert auch unter: medienrot@landaumedia.de