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Ferngesteuert

Foto: © Fotolia/L.S.
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„Sind sie eine Drohne?“, „Sind sie ein Mensch, der von anderen ferngesteuert wird?“ Nein! Das werden die meisten auf diese Frage antworten. Wissen Sie, was ich gerade zwischen dem Tippen der ersten Sätze und dem Tippen dieses Satzes gemacht habe? Ich habe in meine Mails geschaut, weil jemand anderes mir gerade eine gesendet hat. Meine Apple Watch hat vibriert, mein Mail-Symbol in der Programmleiste ist gehopst und gleichzeitig wurden die ersten Zeilen auf dem Bildschirm eingeblendet. Zack war ich mit meinen Gedanken bei der Person, die mir gerade eine Mail gesendet hat.

Unsere hochgelobte IT-Infrastruktur und auch unsere mobilen Helferleins sind in vielen Fällen keine Hilfe bei der Steigerung unserer Produktivität, sondern genau das Gegenteil. Es sind Ablenkungsmaschinen, die uns aus dem rausreißen, was wir gerade tun wollen, und da hinziehen, wo uns andere gerade haben wollen. Wir werden digital entmündigt und fühlen uns dabei auch noch produktiv. Wir verbringen Stunden täglich damit Inhalte zu konsumieren, die andere uns senden oder empfehlen. Am Abend klagen wir dann, dass wir keine Zeit hatten, das zu tun, was wir eigentlich wollten. Ist das nicht paradox?

Was uns umtreibt, ist ein uralter Instinkt: die Neugier. Mal sehen was da gekommen ist, signalisiert die weiße „1“ im roten Kreis über der App. Wir wollen wissen, was für eine Mail dort im Postfach wartet oder wer uns gerade eine WhatsApp gesendet hat. „Könnte ja wichtig sein!“, höre ich den meist zitierten Einwand. Ehrlich? Wie oft war denn eine Mail so wichtig, dass es sie den enormen Zeit- und Produktivitätsverlust rechtfertigt, die Ihnen die ständige digitale Neugier beschert? In Wahrheit handelt es sich bei unserer Neugier um eine Sucht. So wie der Raucher seine Arbeit unterbricht, um schnell mal eine zu rauchen, so unterbrechen wir unseren Arbeitsprozess, um schnell mal was zu lesen.

Genau so treibt uns die Neugier dazu, permanent neue Informationsangebote zu abonnieren oder neuen Personen in sozialen Netzwerken zu folgen. Das führt nur zu einer Potenzierung der Ablenkung – immer mehr Hinweise auf neue Infos prasseln auf uns ein und immer häufiger schickt uns die Neugier auf eine Reise ins Internet, die oft nur Verwirrung zur Folge hat. Sicher auch das ist nicht schlimm, man kann ja immer etwas Interessantes erfahren. Allerdings führen diese permanent Ablenkungen immer wieder dazu, dass ich gerade nichts dazu lerne, weil ich meine Aufmerksamkeit schon wieder etwas Neuem zuwende, bevor ich den aktuellen Artikel überhaupt gelesen und verstanden habe. „Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen“, hat John Nasbitt das einmal genannt.

Was tun? Ich habe zunächst mal alle Newsletter abbestellt und dafür meine Lesezeichen in meinem Browser neu organisiert. Da gibt es die Gruppe „Branche“. Wenn ich etwas über die Medienbranche wissen will, gehe ich aktiv zum Informationsangebot, wenn ich das gerade möchte. Genauso gibt es Lesezeichen mit News, Hobbys usw. Ich entscheide, wann ich was lesen möchte, und nehme mir dafür eine bestimmte Zeit, z.B. eine Viertelstunde. Dann mache ich das nächste, was ich tun möchte – ganz ohne Fernsteuerung, ganz ohne Ablenkung. Gerade eben habe ich auch die Benachrichtigungsfunktion meines Mail-Programms abgestellt. Wenn ich mir Zeit zum Lesen von E-Mails nehmen will, sehe ich ja, was neu ist. Überhaupt verbringe ich bereits einige Tage damit, allen Programmen, Apps und sozialen Netzwerken abzugewöhnen, mich abzulenken. Ich nehme jetzt den anderen die Fernsteuerung weg und setze mich selber wieder auf den Fahrersitz meines Lebens.

Über den Autor: andrea katheder für landau media, berlin 2013Uwe Mommert ist Geschäftsführender Gesellschafter von Landau Media. Darüber hinaus ist der Digitalexperte begeisterter Social Media- und Technology-Jünger und immer an innovativen Ideen interessiert. Für medienrot.de kommentiert Uwe Mommert regelmäßig das Mediengeschehen. Sie erreichen Uwe Mommert auch unter mommert@landaumedia.de, bei Xing und bei LinkedIn.