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Die Bedeutung von Kundenrezensionen für das Markenimage

Titelbild„Das Restaurant hat nur zwei von sechs Sternen in der Online-Bewertung. Da gehen wir nicht hin!“ Mit zunehmender Beliebtheit von Online-Shops wird die Meinung der Kunden immer wichtiger. Auch wenn die Deutschen noch nicht so häufig im Netz einkaufen wie die Briten, nimmt die Zahl der Bestellungen im Web weiterhin zu. Schon heute werden 20 Prozent des Umsatzes in Deutschland online generiert. Aber welche Rolle spielen Rezensionen bei Amazon und Co. für das Markenimage? Beeinflussen sie die Käufer in ihren Entscheidungen?

Die Auswirkungen von Rezensionen
Wer gern bei Online-Anbietern stöbert, nimmt zwangsläufig die Rezensionen anderer Kunden wahr. Bei Amazon ist es unvermeidlich, den Durchschnitt aller Produktbewertungen auf einen Blick zu sehen. Rezensiert werden Filme, Musikalben, Bücher, aber auch Geschirr, Gartenmöbel und Nahrungsmittel. Alles eben, was der Händler im Sortiment hat.

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Bewertungen anderer Kunden unsere Kaufentscheidung maßgeblich beeinflussen. 65 Prozent aller Befragten einer Bitkom-Studie vom Januar 2017 gaben an, dass sie vor dem Kauf eines Artikels Produktbewertungen lesen, die eine wichtige Entscheidungshilfe für sie darstellten.

Dieses Vertrauen ist jedoch laut Amazon-Watchblog nicht immer gerechtfertigt. Denn 30 Prozent der Amazon-Rezensionen würden das Gegenteil von dem behaupten, was professionelle Tester über Produkte ermittelt hätten. Mit anderen Worten: Nahezu ein Drittel der Kundeneinschätzungen entspricht nicht der tatsächlichen Qualität.

Sogar Ärzte müssen sich mit falschen Bewertungen auseinandersetzen. Ein Mediziner zog deswegen vor den Bundesgerichtshof und bekam recht: Bewertungsportale wie Jameda sollen seit März 2016 nachweisen, ob deren Rezensenten tatsächlich beim betreffenden Arzt in Behandlung waren.

Nicht zu übersehen
Bild 5Rezensionen, die optisch in Form von farbenfrohen Sternen oder Punkten hervorgehoben werden, üben als Eyecatcher einen besonders großen Einfluss auf Konsumenten aus, da sie sich vom Text in den Suchergebnissen abheben. Das gilt nicht nur für den Durchschnitt aller Rezensionen, sondern auch für die einzelnen, detailliert ausformulierten Meinungen.

Kunden stellen sich bei der Betrachtung Fragen: Warum hat dieses Sieb nur einen Stern erhalten? Welche Mängel sind bei dem Marken-Rauchmelder aufgetreten? Und weshalb hat das neue Smartphone bereits in der ersten Verkaufswoche 40 negative Rezensionen?

Ist der Kunde König?
Rezensionen lenken nicht nur die unmittelbare Kaufentscheidung, sie wirken fort. In einer 3sat-Reportage gingen Journalisten der Frage nach, ob sie mit Unverschämtheit Vorteile bei Unternehmen erzielen. Wie weit kommen die Firmen entgegen, obwohl sie es vom Gesetz her nicht müssten? Das Ergebnis des Experiments lautet: ziemlich weit.

Die Furcht vor Imageschäden scheint erheblich. Zumal jeder Kunde eine Vielzahl von Online-Plattformen zur Meinungsäußerung geboten bekommt. Selbst große Firmen mit professionell arbeitenden Social-Media-Teams verlieren hierbei schnell den Überblick, da sich der Frust der Konsumenten an allen möglichen Stellen im Netz Bahn bricht.

Lang anhaltender Effekt
Wer mit einem Restaurantbesuch unzufrieden war, macht sich womöglich erst am nächsten Tag oder gar Wochen darauf Luft bei Yelp oder Google. Der Unternehmer hat nur eine Chance: auf Kritik so schnell und so transparent wie möglich zu reagieren. Doch selbst dann tauchen diese Bewertungen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Namen des Restaurants in den Suchergebnissen auf.

Wer bei Google unter dem Lokal zwei Sterne sieht, wird diesen Eindruck im Hinterkopf behalten. Womöglich wird derjenige anderen von einem Besuch des Restaurants oder einem Kauf abraten, obwohl als Grundlage dafür keine eigenen schlechten Erfahrungen herhalten. Es genügt bereits, Rezensionen zu lesen.

Dabei wäre anzunehmen, dass Produkte mit den meisten Positivbewertungen am häufigsten gekauft werden. Doch der Schein trügt, denn es geht um Glaubwürdigkeit. Und die ist höher, wenn differenzierte Rezensionen existieren.

Hohes Gewicht von Meinungen
In einer Zeit, in der Medien gegen „Lügenpresse“- und „Fake News“-Vorwürfe ankämpfen, genießt die persönliche Meinung im Netz großes Vertrauen. Eine Privatperson, deren Kauf durch den Händler mit Labels wie „Verifizierter Kauf“ bestätigt wurde, lügt nicht. Oder?

Hinzu kommt, dass sich die Bewertungssysteme selbst voneinander unterscheiden. Während einige Shops anonyme beziehungsweise nicknamebasierte Bewertungen erlauben, besteht bei anderen Händlern eine Klarnamenpflicht. Anonymität hat Vor- und Nachteile: Zum einen müssen Kunden keine Abmahnungen befürchten, wenn sie eine kritische Bewertung schreiben. Zum anderen tritt jedoch der Online-Enthemmungseffekt ein – im Schatten der Anonymität sinkt zugleich die Hemmschwelle zur Diffamierung.

Neun von zehn Menschen sollen laut einer Studie den Bewertungen fremder Leute im Internet Glauben schenken. Und deren Meinungen in ihre Kaufentscheidungen miteinbeziehen. Marketing-Experten versuchen seit jeher, Vertrauen durch aufwendige Kampagnen aufzubauen. Mancher Marketer ist da versucht, den Kampagnen-Erfolg durch ein Kontingent an gekauften Rezensionen zu forcieren. Ein heikler Ansatz.

Gekaufte und Fake-Rezensionen
„Bewertungen sind die neue Währung. Aber woran erkennen wir das Falschgeld?“, heißt es in der weiter oben erwähnten Doku. Und diese Erkenntnis wird in der Tat immer schwieriger. Unter anderem, weil sich ganze Geschäftsmodelle mit gefälschten Meinungen spezialisiert haben.

Weil sie darauf basieren, Rezensionen zu kaufen, und somit Einfluss auf das Markenimage ausüben wollen. Amazon wehrt sich mit Algorithmen, um diese Fake-Rezensionen herauszufiltern.

Ob gerechtfertigt oder nicht: Für Kleinunternehmer, die große Online-Plattformen zum Verkauf nutzen, können zu viele negative Rezensionen existenzgefährdend sein. So sperrte Amazon in der Vergangenheit entsprechende Händlerkonten, wenn zu viele Negativrezensionen in Verbindung mit Kundenbeschwerden auftraten.

In den Amazon-Richtlinien heißt es:

„Die Rate der Bestellmängel ist das entscheidende Kriterium, um die Kundenzufriedenheit mit Ihrem Verkäuferservice zu bewerten. Erreichen Sie unsere vorgegebenen Leistungsziele für die Rate der Bestellmängel nicht und können Sie diese auch nicht verbessern, kann Ihr Verkäuferkonto suspendiert werden oder unser Verkäufer-Performance-Team fordert Sie zur Stellungnahme auf.“

Aber schon vorher stellen sich ökonomische Nachteile ein. Wer viele positive Bewertungen erhält, steigt im Ranking. Umgekehrt bedeutet das: Je weniger Lob, desto eher verschwindet das Produkt im digitalen Nirgendwo.

Gefälschte Rezensionen sind allerdings nicht nur ein Problem von Amazon. Auch Reiseportale wie TripAdvisor schlagen sich mit dieser Praxis herum. In einem unserer aktuellsten OSK-Newsletter haben wir uns ausgiebig mit der Thematik befasst und unter anderem einen Artikel vorgestellt, in dem es um eine gezielte Rezensionsmanipulation eines Hotels geht. Diese Methoden sind bestenfalls ärgerlich, meist jedoch schlichtweg Manipulation, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu erschleichen. Abhilfe auf Verbraucherseite sollen hier Tools wie Fakespot schaffen. Fakespot analysiert die Reviews von Produkten. Bisher lässt sich der Dienst jedoch nur für die US-Versionen von Amazon und Yelp verwenden.

Ein großes Risiko
Fliegen falsche Rezensenten auf, geht die Meinungskampagne für Unternehmen nach hinten los: Das Markenimage erleidet Schaden. Und der potenziert sich, wenn Kunden wiederum ihren Protest darüber in weiteren Rezensionen ausdrücken. Nur sind diese Protestmeinungen dann echt. Der Ärger der Konsumenten ist nachvollziehbar, schließlich leidet die Glaubwürdigkeit unter diesen Methoden.

Umso ratsamer ist es, Rezensionen nicht zu kaufen, sondern echte Meinungen zuzulassen und auf Kritik transparent zu reagieren. Kunden nach erfolgreichem Kauf um positive Rezensionen zu bitten, ist eine Alternative, allerdings auch eine gewagte – denn die wenigsten Verbraucher möchten zu einer Bewertung gedrängt werden.

Viel besser ist es, aus den bereits vorhandenen Rezensionen zu lernen. Denn auch Stimmen des Unmuts können wahre Schätze sein. Egal ob Einzelunternehmer oder größerer Betrieb – Kritik sollte stets als Chance gesehen werden, Produkte oder Dienstleistungen zu verbessern.

Auch verärgerte Rezensenten gilt es daher, mit ein paar höflichen Dankesworten abzuholen. Ebenfalls wichtig: Empathie zeigen. Und im Idealfall entgegenkommen, zum Beispiel in Form von Preisnachlässen oder aber Versprechen, die Meinungen in künftige Optimierungsprozesse einfließen zu lassen. Dieses Versprechen sollte dann natürlich auch ernst gemeint sein.

Doch nicht immer ist es sinnvoll, sich für Kritik zu bedanken, etwa wenn diese, wie im genannten Beispiel von Jameda, ungerechtfertigt ist. Hier ist eine freundliche, aber eindeutige Klarstellung erforderlich, um Rufschäden zu vermeiden.

Fazit
Kundenrezensionen üben einen wesentlichen Einfluss auf Kaufentscheidungen aus. Sie sind wie Fährmänner, die vor Sandbänken, Strudeln und Stürmen warnen. Doch manche Fährmänner sind in Wahrheit Sirenen oder, um es ohne Seemannsvergleiche zu sagen: Nicht jede Rezension ist glaubwürdig. Daher sollten Unternehmen den Wert dieser neuen Währung richtig einschätzen und verantwortungsbewusst mit ihr umgehen.

carsten-christian-01_150x150pxÜber den Autor: Carsten Christian ist Online- und Social-Media-Redakteur bei der Kölner Agentur Oliver Schrott Kommunikation, wo er für den OSK-Blog zuständig ist. OSK ist Deutschlands zweitgrößte inhabergeführten PR-Agentur und betreut renommierte Automobil-, Technologie- und Industrie-Unternehmen.